Bedola_Balatum_Stragula (2005)

Da Spuren immer auch Lebensspuren sind, finden sich diese noch auf den banalsten Materialien. Zu diesen gehören zweifelsohne
billige Bodenbeläge, die in den Jahren des Wirtschaftswunders und des Baubooms nach dem 2. Weltkrieg massenhaft verwendet
wurden.
Sie hat der Künstler gesammelt und zu einer Bodeninstallation zusammengefügt, die das ganze Spektrum dieses Materials wie in
einer Art Musterausstellung präsentiert. Dabei wird bei der Betrachtung schnell deutlich, dass die Linoleumböden praktisch jede
Art teuerer Bodenbeläge imitieren, vom Holzparkett, über Fliesenimitate bis hin zu Teppichöden. Neben der seit der Barockzeit
bekannten Funktion von Imitaten, teurere Materialen zu simulieren, zeigt diese Musterschau natürlich auch den typischen
Geschmack der Nachkriegszeit, der bei älteren Betrachtern manche Erinnerungen wachrufen dürfte.

Die strenge Anordnung der Linoleumfliesen, die unter gleichermaßen klangvollen wie dubiosen Markennamen wie Stragula,
Balatum oder Bedola vertrieben wurden, geht allerdings nicht nur entsprechenden Präsentationen in Baumärkten und Fliesen-
fachgeschäften zurück. Vielmehr stellt das Prinzip der seriellen Reihung auch eine spezifische Ausdrucksform bzw. Präsentations-
form des Spurensammelns dar, denn Sammlungen ähnlicher Gegenstände bedürfen immer einer Form der Archivierung und
Präsentation in Reihen, Stapeln oder Regalen. Indem Spurensicherer wie Friedemann Blum also Reihen anlegen, zeigen sie
sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede der von ihnen gesammelten Gegenstände. Das Prinzip der Reihung
ähnlicher Gegenstände verweist jedoch auf die Kunst selbst. Denn die serielle Reihung immer gleicher Formen wurde von
den Künstlern der Minimal Art in den 1960er Jahre entwickelt und stellt eine der letzten Neuerungen der modernen Kunst dar,
mit der das klassische Prinzip der Komposition zerstört wurde. Indem nun ein Spurensicherer wir Friedemann Blum dieses
Prinzip einsetzt, nutzt er es nicht nur als modernes Kompositionsprinzip; sondern macht damit Vergleiche zwischen ähnlichen
Gegenständen möglich.
Er füllt also die rein ästhetische Form der Reihung mit spezifischen inhaltlichen Bedeutungen. Im konkreten Fall zeigen die
verschiedenen Bodenbelagsmuster das Prinzip der (billigen) Imitation und den Geschmackskosmos der Nachkriegsjahre.
Hinzu kommt, dass das Prinzip der Reihung auch ein Grundprinzip der industriellen Produktion darstellt, wodurch es
geradezu als ein Grundprinzip unserer Gegenwart und der Moderne überhaupt charakterisiert werden muss.

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